Über Ebay zur ersten eigenen Werkstatt Ein Vormittag mit Restaurator Michael Wintjen
Die Straße, in der das Gründerzeithaus mit der großen blauen Doppeltür steht ist ruhig, aufgeräumt und führt direkt zum Breslauer Platz. An der Tür hängt ein etwas in die Jahre gekommenes Schild, auf dem in inzwischen ausgeblichener und abblätternder Farbe ein Schaukelpferd gemalt ist. Unter ihm steht in einer dezenten Schrift „Michael Wintjen Werkstatt für Möbelrestaurierung.“ Nach einem leisen Klingeln öffnet sich die Tür und es folgt ein gefliester Flur, der in einen verwilderten Garten führt. Das Gras wächst mehrere Zentimeter hoch und die Bäume und Büsche verdecken die Sicht auf das Berliner Gartenhaus. Einige wenige abgetretene Beton Stufen führen in das Innere des Ateliers.
![20220628_102411 Julie Pelzel](https://juliepelzel.com/wp-content/uploads/2022/10/20220628_102411-scaled.jpg)
70 Jahre ist eine lange Zeit. Geschäfte kommen und gehen, aber die Werkstatt bleibt. Zu verdanken ist das ihrem Standort. Friedenau ist ein sehr geschichtsträchtiger Bezirk. Viele Gründerzeithäuser und einige Villen sind nach Angaben des Bezirksamtes Tempelhof- Schöneberg durch eine Erhaltungsverordnung aus dem Jahre 1986 bestehen geblieben und haben hauptsächlich das Bildungsbürgertum angezogen. Auch die umliegenden Bezirke Grunewald, Dahlem und das Lichterfelder Villenviertel schaffen durch ihr Klientel viel Kundenpotenzial für
die Werkstatt. „In Friedrichshain könnte der Laden nicht überleben“. Immer mehr Werkstätten mussten in den vergangenen Jahren schließen und wurden zu Wohnraum, erzählt Wintjen. Tatsächlich hat sich die Anzahl der Handwerksbetriebe in Deutschland nach Angaben des Zentralverbandes für deutsches Handwerk über die letzten 10 Jahre relativ konstant gehalten und ist in Berlin im Vergleich der letzten drei Jahre sogar ein wenig angestiegen. Dennoch betont der Restaurator, dass es gerade für unabhängige Betriebe wichtig ist, Präsenz zu zeigen, um bestehen zu können. Regelmäßig öffnet er die Türen seiner Werkstatt für Workshops und Kulturveranstaltungen wie Lesenächte, Lichtinstallationen und Filmabende und das sogar sehr gerne. Stolz zeigt er Bilder von den aufwendigen Lichtprojektionen und deutet dabei auf die Orte, an denen die bunten Bilder zu sehen waren.
Die Menschen fühlen sich in der Werkstatt sehr wohl und versuchen einander zu unterstützen. Wintjen hat es sich aus diesem Grund zur Aufgabe gemacht, die Räumlichkeiten so wie sie sind, zu erhalten. „Irgendwann wird das hier vorbei sein und ich weiß, dass das hier jetzt gerade eine gelebte Zeit ist, an der sich die Menschen erfreuen sollen“. Um das Miteinander zu stärken, arbeitet das Atelier regelmäßig mit anderen, meistens lokalen Werkstätten zusammen. Aufträge werden regelmäßig hin und her gereicht, um unter anderem den
Kiez lebendig zu erhalten.