Buchrezension: Normale Menschen von Sally Rooney

In der vergangenen Woche habe ich mich endlich mal dem Buch „Normale Menschen“ widmen können, das bereits 2019 im englischen Raum veröffentlicht wurde und seit 2020 auch in der deutschen Ausgabe bei uns erhältlich ist.

Gestoßen bin ich auf das Buch über Nennungen und Empfehlungen via Sozial Media Postings, in welchen die Geschichte von Marianne und Connell als ein „must read“ deklariert wurde.
Auf dem Buchrücken werden diverse Lobpreisungen des Guardian, der Times und der Vanity Fair abgedruckt, nach welchen der Roman als der beste des Jahres, ein Karussell der Gefühle und auch noch zukünftig sehr bedeutend beschrieben wird.
Meine Ansprüche an das Buch waren also von Beginn an sehr hoch.
Aber nun einmal zum groben Inhalt.

Die Handlung

Mariannes Familie ist wohlhabend. Sie lebt zu Beginn des Buches zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in einer herrschaftlichen Villa und musste sich über Geld niemals Gedanken machen. Connell ergeht es jedoch anders. Gemeinsam mit seiner Mutter, die als Putzkraft in der Villa tätig ist, lebt er in einem kleinen Haus außerhalb der Stadt.

Aber wie sich herausstellt, werden soziale Stände in Mariannes Welt nicht durch den Kontostand definiert, sondern vielmehr nach dem Aussehen und Verhalten.
So ist Connell in der Schule der, mit dem jeder befreundet sein möchte. Er gilt als der attraktive, coole Junge, der keine Gelegenheit auf Sex ausschlägt. Marianne hingegen ist alles andere als beliebt. Ihre Erscheinung wirkt nicht ansprechend und die Tatsache, dass sie sich im Gegensatz zu Connell nicht ihrem Umfeld anpasst, bereitet ihr Schwierigkeiten, Beziehungen mit ihren Mitschülern zu knüpfen.
Trotz der unsichtbaren Mauer, die die Leben der beiden Protagonisten voneinander trennt, gelingt es ihnen, eine Verbindung zueinander aufzubauen.

Die Zeit vergeht und mit ihr die Umstände.
Plötzlich studieren sie am Collage und führen indirekt das Leben des jeweils anderen. Während Marianne viele Freunde findet und zu den Beliebten gehört, fällt es Connell schwer, eine Verbindung zu anderen aufzubauen.
Geld scheint in diesem Lebensabschnitt das entscheidende Mittel zu sein, um Beliebtheit für sich erlangen zu können.
Geld, welches Connell nie hatte und Marianne in die Wiege gelegt wurde

Die Zeit im Collage beginnt, langsam zu vergehen und reißt so manche Freundschaften und Beziehungen mit sich.
Es folgen Monate mit Hoch- und Tiefpunkten. Connell geht auf Reisen, Marianne macht ein Auslandssemester in Schweden und die Momente, die sie miteinander teilen, werden zunehmend weniger.

 

Welche Eindrücke habe ich als Leserin gewonnen und was nehme ich mit?

Obwohl sie nach wie vor in zwei vollkommen anderen Welten leben, die inzwischen aufgrund ihrer getrennten Wege sogar zu Universen geworden sind, halten sie auch weiterhin den Kontakt in Form von Mails zueinander.
In diesen teilen sie sich gegenseitig ihre Gefühle und Bedürfnisse mit, die sie sonst niemanden anvertrauen können.

Im Buch werden über die Protagonisten diverse psychische Krankheiten thematisiert und der Leser merkt schnell, dass manche Hochpunkte der Protagonisten rückblickend versteckte Tiefpunkte gewesen sind, die zu erkennen Marianne oder Connell erst mit dem Vergehen der Zeit in der Lage waren.
Das Leben ist also keine Konstante, denn die Vergangenheit ist viel zu sehr mit dem Hier und Jetzt und damit auch unseren Entscheidungen, die unsere Zukunft formen, verwoben.

Im Verlaufe der Geschichte werden auch toxische Beziehungen und Freundschaften thematisiert.
Nicht alle Menschen, die deine Nähe suchen und deren Nähe auch du anstrebst, sind gut für dich, nimmt der Leser aus Mariannes Erfahrungen mit.

 

Das streben nach der eigenen „Normalität“

Rooney spielt in der Geschichte viel mit Gegensätzen, definiert diese aber nie als Solche und lässt sie durch die Wirkung der Protagonisten auf ihr soziales Umfeld und die Beeinflussung dieses auf sie in Erscheinung treten.

Marianne und Connell sind unglaublich empathische Menschen.
Marianne möchte bedingungslose Liebe von ihren sozialen Kontakten erfahren und ist um dieses Ziel zu erreichen dazu bereit, sich bis aufs Äußerste zu verbiegen und sich einer „Normalität“ anzupassen, die in dieser Form in unserer Gesellschaft einfach nicht existiert.

Connell bietet zu ihr den Gegenpol. Während er von seinem Umfeld, beginnend bei seiner Mutter, Liebe erfahren hat, war er nie dazu in der Lage, sich diese auch selbst entgegenzubringen und stattdessen vielmehr mit der Sorge beschäftigt, die Liebe seiner Mitmenschen zu verlieren. Connell sieht es daher in seiner Entwicklung von Anfang an vor sich, dem Bild, welches er denkt, das die anderen von ihm haben, anzupassen und sich selbst systematisch zu verleugnen.

Eine klare Empfehlung!

Das Buch war ein einziges Auf und Ab der Gefühle und die Handlung keinesfalls einseitig, sondern sehr abwechslungsreich und zum Teil wirklich spannend und emotional. Rooney hat eine Art und Weise, Gefühle zu umschreiben, die einen wirklich mitnimmt und in das Geschehen involviert.

Ich für meinen Teil, würde immer wieder nach „Normale Menschen“ greifen und kann den Roman daher nur wärmstens empfehlen.